Manche Texte muss man sich erarbeiten. Dafür reicht ein einfaches Durchlesen in der Regel nicht aus. Aber es gibt einfache Verfahren der Textanalyse, wie man sich den Inhalt auch schwieriger Texte Schritt für Schritt erschließen kann.
Dr. Helga Esselborn-Krumbiegel leitet das Schreibzentrum an der Universität Köln. Sie ist Verfasserin seit Jahren eingeführter Standardwerke zum Schreiben im Studium. Bei utb sind drei Bücher von ihr erschienen:
Um uns in der Fülle der Forschungsliteratur zu orientieren, Brauchbares von Überflüssigem zu trennen, arbeiten wir mit dem obigen Mind-Map
Zuerst überprüfen wir unsere Erwartungen durch Überfliegen des Textes. Wie der Pilot eines Hubschraubers schauen wir zunächst »von oben« auf die gesamte Arbeit, um dann an ausgewählten Stellen »tiefer zu fliegen«, genauer hinzusehen und anschließend wieder an Höhe zu gewinnen.
Anhand der Einleitung sehen wir, welches Material der Autor unter welcher Fragestellung mit welchem Ergebnis bearbeitet hat und welche Methode er dabei angewandt hat. Die Einleitung informiert uns also in der Regel darüber, ob die Studie für unsere eigene Fragestellung ergiebig sein wird. Gibt die Einleitung bereits einen kurzen Forschungsüberblick, erfahren wir auch, welcher Forschungsrichtung der Autor sich zurechnet.
Als Studienanfänger wird Ihnen diese Einordnung in die Forschungslandschaft zunächst schwerfallen. Vertrauen Sie darauf, dass sich mit wachsender Kenntnis der kritischen Literatur auch Ihr »Forschungshorizont« weitet und Sie immer mehr Übung im Wiedererkennen untereinander verwandter Forschungsmeinungen gewinnen.
Oft informiert der erste Satz eines Abschnitts bereits über seinen Inhalt. Es ist deshalb nützlich, in einem längeren Text zunächst den ersten Satz jedes Abschnitts zu lesen, um zu entscheiden, ob das Kapitel eine intensive Lektüre lohnt.
Bevor wir in die intensive Lektüre der Sekundärliteratur einsteigen, klären wir, was wir schon über unser Thema wissen. Die Übersicht über bereits vorhandenes Wissen erleichtert uns die anschließende Einordnung des Gelesenen in unser eigenes Ideenkonzept. Zugleich fördert diese Einordnung das Verstehen des Gelesenen und die selbstständige Auseinandersetzung mit dem fremden Text. Am besten sammeln Sie das bereits vorhandene Wissen vor der Lektüre in einigen kurzen Notizen.
Als nächstes sollten wir uns klar machen, welche Fragen uns die Forschung beantworten soll. Welche Fragen müssen wir stellen, um unser Thema bearbeiten zu können? Auf diese Fragen suchen wir Antworten in der Sekundärliteratur.
Das systematische Lesen der Forschung ist immer ein systematisches Durcharbeiten. Fotokopien können diese eigene Arbeit nicht ersetzen; sie lassen lediglich ein unbeschwertes Anstreichen zu und ersparen das Abschreiben geeigneter Zitate. Fotokopieren Sie möglichst wenig! So geraten Sie nicht in Gefahr, zu fotokopieren statt zu exzerpieren, abzuheften statt durchzuackern.
Um die Frage nach Thema und Hauptaussage eines Abschnitts zu beantworten, genügt es oft nicht, ein oder zwei Sätze zu unterstreichen; wir müssen vielmehr eine knappe Antwort formulieren. Dies ist der erste Schritt zum eigenen Exzerpt, der Zusammenfassung eines fremden Textes.
Bei der Zusammenfassung des Gelesenen in eigenen Worten kommt es vor allem darauf an, so knapp wie möglich, dabei aber so ausführlich und präzise wie nötig vorzugehen. Oft gibt man sich nämlich mit allgemeinen, ungenauen Formulierungen zufrieden, die zwar im Augenblick des Schreibens für konkrete Inhalte stehen, nach einiger Zeit aber schon nicht mehr verständlich sind. Mit Hilfe der Leitbegriffe und einer groben Skizze der Argumentation schreiben wir eine Zusammenfassung, die uns auch noch nach längerer Zeit den logischen Zusammenhang rekonstruieren lässt.