Schreibprozesse in den Wissenschaften beginnen mit einem relativ hohen Grad an Unsicherheit. Erst wenn wir ein Stück vorangekommen sind, können wir das Thema genauer bestimmen, den Text planen und das Vorgehen festlegen. Schreiben ist immer eine Fahrt ins Blaue und verlangt von den Schreibenden, ein gewisses Maß an Chaos und Improvisation zu tolerieren. Gerade wegen dieser etwas chaotischen Grundstruktur, ist Planung für den Schreibprozess aber umso nötiger.
Otto Kruse zeigt in seinem utb-Band Lesen und Schreiben, wie man ein wissenschaftliches Schreibprojekt am besten angeht:
Planung heißt nicht, den Text im Kopf voraus zu denken, sondern die Arbeitsschritte zu definieren, die man durchlaufen muss. Die wichtigsten Phasen, in die man die einzelnen Handlungsschritte einordnen kann, sind im nebenstehenden Kasten »Makrostruktur« aufgeführt.
Das Planen nimmt etwa ein Viertel der Arbeitszeit in Anspruch. Man legt in der Planungsphase die wichtigsten Parameter des Textes fest: Thema, Fragestellung, behandeltes Problem, methodische Vorgehensweise, zu bearbeitendes Material, erwartete Ergebnisse und Interpretationsformen. Dazu legt man, falls dies nicht schon im Auftrag definiert ist, fest, wer die Adressaten sind, welches Textgenre verlangt wird, welche Textkonventionen eingehalten werden müssen, für welches Medium der Text bestimmt ist und wann er fertig sein muss.
In der zweiten Phase organisiert man das Wissen, das man für den Text braucht. In den Wissenschaften muss man dazu viel lesen, oft auch Daten erheben oder andere Texte interpretieren. Das Material, das man dabei gewinnt, muss man strukturieren, d. h. in eine Gliederung bringen und versprachlichen. Dieser Vorgang führt zu einem Rohtext, in dem man alles was man sagen will, zusammengestellt hat. In dieser Phase gewinnt der Text seine erste Form. Man sieht, dass man genug Material hat, um den Text fertig zu stellen.
In der dritten Phase überarbeitet man diesen Rohtext, ergänzt ihn mit Material, kürzt, wo man zu viel hat, revidiert die Struktur, macht den Text für Adressaten geeignet und überarbeitet die Sprache. In dieser Phase gewinnt der Text Qualität: Er wird präzise, er erhält Tiefe, Struktur und sprachliche Genauigkeit. Auch für diese Phase ist etwa ein Viertel der Zeit einzukalkulieren.
In der vierten und letzten Phase macht man den Text verwendungsfertig. Man passt das Layout und die Darstellungskonventionen (Zitieren, Fußnoten, Literaturverzeichnis) den Anforderungen an, beseitigt letzte Fehler und gibt den Text ab. Dann kommen ggf. noch Überarbeitungsauflagen, Prüfungskolloquien, Druckvorgaben etc., bis der Text endgültig seinen Platz gefunden hat.
Eine solche Vorgehensweise schützt sowohl vor zu chaotischen Schreibstrategien als auch vor zu perfektionistisch geplanten. Sie arbeiten in Etappen: Erst stellen Sie ein erstes Grobkonzept her, dann beschaffen Sie das nötige Wissen und stellen fest, ob Sie das Konzept verwirklichen können bzw. in welchem Ausmaß dies möglich ist. Im dritten Schritt kümmern Sie sich um die gedankliche und sprachliche Qualität des Textes, geben dem Text Tiefe und Präzision. Im letzten Schritt gehen Sie hauptsächlich auf Konventionen ein, denen der Text folgen muss und kümmern sich darum, dass der Text seinem Zweck zugeführt wird.