In seinem kompakten Handbuch Wissenschaftliches Schreiben widmet sich Norbert Franck in alphabetischer Reihenfolge den wichtigsten Aspekten einer schriftlichen Arbeit: Von A wie Abstract bis Z wie Zitat. Unter ‚I‘ wie ‚ich‘ diskutiert er in dem Kapitel zum Schreibsubjekt, ob die Verwendung von ‚ich‘ und ‚wir‘ in einer schriftlichen Arbeit wissenschaftlich ist und welche Alternativen es hierfür gibt.
Von sich in der ersten Person Singular zu schreiben, war lange Zeit verpönt; und ist es mancherorts noch immer. Regine Schumacher weist auf den Widerspruch hin, dass einerseits die Promovendin in ihrer Dissertation und der Student in seiner Hausarbeit als Person nicht in Erscheinung treten sollen, sie aber andererseits verantwortlich für ihre Arbeit sind. Insofern „wäre ich der treffende und eindeutige Begriff für die Referenz auf den Verfasser oder die Verfasserin.“ (2017, 49)
Stitzel plädiert nachdrücklich für Ich: Ich müsste „Leitlinie und Identifikationsmerkmal wissenschaftlichen Schreibens werden. ‚Ich meine‘, ‚ich vertrete‘, ‚ich kritisiere‘ – und schon ist Wissenschaft spürbarer, lebendiger“ (1999, 146).
Wer in einer Haus- oder Bachelorarbeit Fragen formuliert und Schwerpunkte setzt, wer meint, feststellt oder schlussfolgert, sollte ich schreiben – sofern ich nicht den Konventionen des Fachbereichs widerspricht oder den Vorlieben derer, die eine Arbeit beurteilen. Ich empfehle nicht, dick aufzutragen, sondern plädiere dafür, die eigene Leistung nicht zu verstecken:
• Wer über die eigene Fragestellung schreibt: „Ich gehe der Frage nach ...“
• Wer das Ziel seiner Arbeit umreißt: „Ich verfolge das Ziel ...“
Kommentare zum Arbeitsprozess sollten Sie allerdings vermeiden, weil sie nichts zur Sache beitragen:
• Da mich frühkindliche Förderung schon immer interessierte, …
• Nach gründlichem Überlegen habe ich mich für eine Konzentration auf … entschieden …
Die Entscheidung für ich oder man sollte vom Gegenstand abhängig
gemacht werden, um den es in einer Arbeit geht. Es gibt Tatsachen, Erkenntnisse, Verallgemeinerungen, die unabhängig vom individuellen Denken und Meinen sind. Deshalb sind folgende Formulierungen unangemessen:
• Ich meine, dass im Januar 2018 über 2,5 Mio. Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet waren.
• Ich denke, Radfahren belastet die Umwelt weniger als Auto fahren.
• Ich bin der Auffassung, dass die Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere seit der Industrialisierung gestiegen ist.
Wem ich nicht gefällt, wer an einem Fachbereich studiert, an dem die erste Person verpönt ist, muss mehr schreiben:
• In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen ...
• In dieser Arbeit wird überprüft, ob ...
• Drei Gründe sprechen gegen die Auffassung, die hohe Arbeitslosigkeit sei eine notwendige Folge der Globalisierung. Erstens…
• Zunächst werden die konkurrierenden Theorien vorgestellt, um dann ihre Relevanz für … zu untersuchen.
In jedem Falle sollte die Arbeit nicht zum Subjekt erklärt werden: Eine Hausarbeit kann nichts, eine Masterarbeit untersucht nicht und ein Kapitel fragt nicht. Deshalb nicht:
• „Diese Arbeit möchte einen Beitrag zur Erforschung der italienischen Frauenliteratur leisten“.
• Die Arbeit behandelt die hexagonalen Bauten des Architekten…“
• „Die hier vorliegende Arbeit behandelt den …“
Sondern:
• Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Erforschung der italienischen Frauenliteratur leisten.
• In dieser Arbeit stehen die hexagonalen Bauten … im Mittelpunkt.
• Mit dieser Arbeit wird das Ziel verfolgt, …
„Hier vorliegend“ ist Murks: Wo ist hier? Und warum vorliegend? Die(se) Arbeit genügt!
Meines Erachtens ist keine sinnvolle Ich-Alternative. Schreibe ich, „deshalb ist diese These nicht haltbar“, ist eindeutig, dass ich das meine. Wozu dann m.E.? Und was anderes sagt m.E. als ich?
Umständlich und altmodisch sind folgende Ich-Vermeidungen:
• Die Verfasserin kommt deshalb zu dem Schluss, …
• Der Verfasser vertritt die Auffassung, …
Den Plural der Majestät (Pluralis Majestatis) sollten Sie erst dann verwenden, wenn sich einen Lehrstuhl ergattert haben. Dann dürfen Sie getrost schreiben: „Wir ziehen daraus den Schluss, dass …“